Warschau. Ein langes Wochenende. Eben mal hin, Billigflieger ab Stuttgart, kein Problem. Ich kann nur sagen, ich war schwer beeindruckt. Ich wußte so gut wie nichts über Polen. Nagut, man kennt die Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg, die Brüder Kaczynski (richtig?) hauen ab und zu auf den Putz aber sonst läuft dieses Land unter unserem Radar, oder? Wenn man ehrlich ist?
Ich kann aus jetziger Sicht nur sagen, das ist ein Fehler. Denn dort tut sich was. Selten habe ich soviel junge Leute auf einem Haufen gesehen. Ohne daß man bepöbelt wird oder die Betrunkenen 10 Mann tief Arm in Arm auf und niederschwanken. Nichts dergleichen. Freundliche Leute, die ganze Atmosphäre entspannend.
Wet T-Shirt Contest in einem Brunnen
Abends ist die halbe Stadt unterwegs. Unendliche Möglichkeiten, draußen zu essen, hier und da spielen Bands open air und umsonst. Viel Jazz, das mögen sie offensichtlich. Dazu haben alle ein Soft-Eis in der Hand. Die werden zu kleinen Türmen aufgebaut. Sieht ganz lustig aus beim Essen.
Vom Turm der St. Anna am Plac Zamkowy: Alles auf den Beinen!
Hier sieht man auch wie fantastisch die Häuser hergerichtet sind. Wenn man bedenkt, daß die Stadt vor 65 Jahren im Prinzip unbewohnbar war wurden enorme Fortschritte gemacht. Das trifft natürlich nicht auf alle Stadtteile zu, aber an vielen Stellen sieht man Baustellen und Renovierungsmaßnahmen. Oft unter Erhalt der ehemaligen Fassaden, was zum positiven Stadtbild beiträgt.
Prozna: Jüdisches Ghetto
Die einzige Straße, die noch das Erscheinungsbild des jüdischen Ghettos hat. Gespenstisch. Der Krieg ist in Warschau noch wesentlich greifbarer als in deutschen Städten. Zum einen liegt es natürlich an der fast schon jenseits des guten Geschmack liegenden Heldenverehrung, zum anderen haben die Polen, denke ich hier auch ein gesünderes Verhältnis zu den vergangenen Ereignissen. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob der Umgang mit der Vergangenheit in den Medien dort genauso schrill geführt wird wie in Deutschland. Es gibt auch ein neues Museum zum Warschauer Aufstand, das erst einige Jahre alt ist und mit multimedialen Effekten vollgestopft. Ein Besuch hinterließ mich zwiegespalten: Einerseits war die Aufarbeitung spektakulär, andrerseits bleibt alles, was sich jenseits der Heldenverehrung abspielte gesichtlos oder ausgeblendet. Sei es die Deutschen, noch die Russen, die auf der anderen Flußseite lagen und nichts unternahmen. Auch die (möglicherweise entscheidende) Frage, ob der Aufstand nicht doch ein Fehler war, bleibt unbeantwortet.
Ein weiterer Held der Polen: Johannes Paul II
Eine extra ins Bild gerückte Katholikin war leider nur unscharf drauf. Ich verkneife mir weitere Kommentare :)
Kleine Schablonensprayer: Auch ein Markenzeichen der Stadt
Bilder dieser Art findet man überall. Ich habe während unseres Besuchs nicht besonders eifrig einige fotografiert und doch einen ganz nette Sammlung zusammenbekommen.
Alt und neu: Brzeska, Praga (Ostteil der Stadt)
Auf der anderen Seite des Flusses ist die Zeit ein paar Jahre früher stehengeblieben. Die Aufbauarbeiten sind noch nicht so weit vorangeschritten. Trotzdem ist es entlang des Flußufers schön und auch der Kontrast zwischen alter und neuer Bausubstanz nicht uninteressant.
Ich kann es nur jedem weiterempfehlen. Polen ist preiswert, man kommt allerdings nur mit Englisch durch. Da sich Deutschland scheinbar genauso unter dem Radar der Polen befindet wie andersherum trifft man keinen mit Deutschkenntnissen. Die Straßen sind sauber (kein Vergleich mit z.B. Stuttgart, dort ist es 10x dreckiger), vielleicht liegts auch nur daran, daß mehr Mülltonnen aufgestellt wurden. Öffentlich trinken is nicht, und wers trotzdem tut riskiert von einer der Streifen ein Knöllchen zu bekommen. Ja, man sieht schon eine Menge Streifen. Aber vielleicht liegts auch daran, daß man in Deutschland keine mehr sieht. Positiv (wenn auch für den Außenseiter zunächst etwas undurchsichtig) der Nahverkehr: Es gibt zwar Millionen Busse und Straßenbahnen aller Kategorien, aber wo die nun alle hinfahren? Hmm.. Selbst mein aktueller Reiseführer hatte mehr fiktive als reale Linien verzeichnet. Man kam also manchmal an eher unerwarteten Zielen heraus. Aber meistens sind wir ohnehin gelaufen. Geocaching kann man auch vergessen, es ist ein Entwicklungsland auf diesem Gebiet. Es würde aber nicht an interessanten Stellen für Dosen mangeln. Wir konnten allerdings insgesamt trotz einigem Eifer nur 4 heben. Nagut, das war auch nicht das Hauptziel. Kurzum: Schöner Urlaub!