"Peopleware" (Tom DeMarco, Timothy Lister) heißt der Titel des Buchs, das ich gerade in der Mache habe. Erschienen Mitte der Achziger handelt es sich sozusagen schon um eine Art modernen Klassiker, was die Behandlung von IT Arbeitskräften angeht. Außerdem weiß ich jetzt endlich, wo Spolsky alle seine Ideen her hat. Ein längerer Abschnitt des Werks handelt von der Arbeitsumgebung und ihren Auswirkungen auf die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter. Das ist eine hochinteressante Sache, die oft zu ungunsten der Mitarbeiter ausgeht. Es wird argumentiert, daß der Grund dafür an der Meßbarkeit dieser Auswirkungen liegt. Gesteigerte Kosten für Fläche, Innenausstattung usw. können einfach belegt werden, das geänderte Verhalten der Mitarbeiter dagegen nicht. Als wesentliche negative Einflüsse auf die Produktivität der Mitarbeiter werden Geräuschpegel und Unterbrechungen bezeichnet. Die zu Verfügung stehende Fläche spielt ebenfalls eine große Rolle. Das Dekor der Inneneinrichtung wirke sich wiederum nicht meßbar aus. Diese Erkenntnisse werden durch entsprechende Studien belegt. Selbst ein dahinvegetierende Großraumbürobewohner, hört mein zustimmendes Nicken fast nie auf.
Wir sitzen hier mit ca. 15 Leuten in einem Raum fast ohne Trennwände. Obwohl es eigentlich ruhig ist (oder man ruhig sein soll, ich kann mich da nie so richtig entscheiden), ist fast immer ein Störgeräusch vorhanden. Unterhaltungen, ein klingelndes Telefon, usw. Über die Aussicht kann ich mich aber nicht beschweren. Weiter Blick Richtung Norden, sicher 3-4km Luftlinie sichtbar. Neuerdings gab es jedoch einen herben Rückschlag, als durch die im niedrigeren, davor liegenden Gebäude eingezogene Rechtsanwaltskanzlei ein riesiger, sich drehender blauer Paragraf auf dem Dach installiert wurde. Peinlich! Ernsthaft. Was für Kundschaft wollen die denn damit anlocken? Also, diese Verschandelung muß ich nun seufzend hinnehmen, was durch die eher mäßig attraktiven Rechtsanwaltsgehilfinnen (deutlich durch wandhohe Glaswände erkennbar) nicht richtig ausgeglichen werden kann. Äh, wo war ich? Ah ja, ich bin also nicht richtig zufrieden mit der Officegestaltung hier. Man kann keine Tür geschlossen halten, um Personen mit erhöhtem Geltungsbedarf auszublenden. Da gibt es ja welche, die jeden Morgen auf eine Art und Weise reinkommen, so daß alle in ihrer Arbeit unterbrochen werden. Sollte ich eines Tages Amok laufen, würde ich auf jeden Fall bis zu diesem Moment warten. Manchmal hab ich auch den Eindruck, daß es besonders stört, wenn jemand ganz besonders leise sein will. Leise Bewegungen, gewisperte Worte. Vielleicht schlägt da unser tierischer Bedrohungsinstinkt an. Hier bewegt sich was.. vielleicht werde ich gleich gefressen? Quatsch natürlich. Die andere Kategorie, die mir in diesem Zusammenhang einfällt ist der "Dauertelefonklingler". Das sind diejenigen (internen!) Anrufer, die das Telefon des angerufenen mindestens 5x klingeln lassen. Wissentlich, daß wir von den Dingern nur Zentimeter entfernt sind kann er sich sicher sein, daß a) auch nach dieser Zeit keiner drangeht weil der Betreffende wirklich nicht am Platz ist und b) alle in der näheren Umgebung in ihrer Konzentration gestört sind. Ich schweife ab.
Der nächste Teil des Buches beschäftigt sich direkter mit seinem Titel, nämlich den Angestellten selbst. Hier wird z.B. ausführlich beleuchtet, warum eine gesunde Firma nur eine minimale Fluktuation an Angestellten hat (die Leute wollen nicht gehen). Ein Wechsel oder Austausch eines Mitarbeiters birgt beträchtliche versteckte Kosten. An das Management gerichtet versuchen die Autoren nun herauszuarbeiten, wie das erreicht werden kann. Respekt, Motivation, störende Einflüsse usw. Weiter geht es mit dem Mysterium des sog. Teamgeistes, der manche Abteilungen zu wahren Arbeitsmonstern geraten läßt, obwohl sie vielleicht personell gar nicht so stark besetzt sind. Das sei vor allem deshalb so, weil den Leuten in diesem Zustand ihre Arbeit einfach wesentlich mehr Spaß macht (obwohl sie möglicherweise eher eintönig ist). Kurioserweise passiert das selbst dann, wenn gar keine Teamarbeit im eigentlichen Sinne verrichtet wird, d.h. die Leute ihre Aufgaben unabhängig voneinander bearbeiten. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Nicht von hier.
Woher es kommt, ist schwerer zu beantworten. Im Prinzip läßt es sich auf zwei Gründe zurückführen: Die Mitarbeiter müssen ein gemeinsames Ziel haben und die Chemie muß stimmen. Hört sich banal an, ist aber in der Praxis nur schwer zu erreichen. Kurioserweise können die Autoren kein Rezept angeben, mit dem man ein richtig gut zusammengeschweißtes Team herstellen kann. Nix. Dafür gibt es eine längere Abhandlung darüber, wie man es sicher verhindert. Fast genauso gut. Der Zufall spielt dabei ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle. Das zugehörige Buzzwort nennt sich Teamicide. So, das wurde jetzt ein bißchen länger, aber ein gutes Buch verdient das auch.
Man kann es jedem ans Herz legen, der Personalverantwortung hat, wie minimal sie auch sein mag. Oder lieber doch nicht, man ist hinterher zu frustriert. :)
Hohe Punktzahl weniger für den brillianten Sprachstil, als für den äußerst interessanten Inhalt.