Leicht benebelt


Heute morgen auf dem Weg zur Arbeit kam ich an einer städtischen Grünanlage vorbei. Dort, im grauen, schwachen Licht des neuen Tages jäteten 2 Figuren Unkraut und schnitten das Grün zurück (1€ oder offener Vollzug?). Ein paar Meter weiter stand der Kapo (Marke Mittelmeer) angelehnt und rauchte gemütlich eine Zigarette. Nur nix anbrennen lassen. Der Arbeitsmodus bei körperlicher Arbeit ist einfach ein anderer. Wie ich so weiterzuckelte dachte ich darüber nach. Der Kerl hat es eigentlich gut. Sein Job ist sicher. Jedenfalls solange die Kommune Geld hat. Einen Straßenkehrer kann man nicht outsourcen, weil man die Straße (noch nicht) mitverladen kann. Es kann natürlich sein, daß eines Tages günstigere Konkurrenten auftauchen, aber diese sind genau wie er selbst den hiesigen Lebenshaltungskosten ausgesetzt. In meinem Job ist es da schon anders. Da geht es zwar nicht so medienwirksam her wie bei Airbus und BenQ, aber man merkt schon wie die Arbeit wegbricht. Wenn man sich anschaut, welches Niveau die hiesigen Unis gemessen an der internationalen Konkurrenz haben gilt auch bald das KnowHow Argument nicht mehr. Bildung ist ja nicht etwas, was sich einfach durch eine kleine Reform instanzieren läßt. Das dauert Generationen. Wir ruhen uns auf dem Bildungsvorsprung aus, der seit Jahrhunderten Mitteleuropa von dem Rest der Welt unterscheidet. Nein, unterschieden hat. Inzwischen ist es nicht mehr so. Ich bezweifle zwar, daß ich die vollen Auswirkungen zu meinen Lebzeiten noch sehen werde, aber der Weg ist dennoch erkennbar. In meinem Handwerk gibt es fast kein überzeugendes Argument (mehr), daß den Kunden dazu bewegen würde, meine Dienste in Anspruch zu nehmen, anstatt derer eines osteuropäischen oder asiatischen Unternehmens, das nur einen Bruchteil der Personalkosten in Rechnung stellt.

Na gut, eine Sache gibt es doch. Den kurzen Draht zum Kunden. Der kann anrufen, ich verstehe was er sagt und kann die Dinge seinen Vorstellungen nach ändern. Ich verstehe auch, was er meint. Auch oder vor allem im Sinne eines kulturellen Verständnisses. Ich kapiere (hoffentlich), was ihm wichtig ist. Wenn die Inder in den hiesigen Markt für mittelständische Software einbrechen wollen, müssen sie genau an der Stelle ansetzen. Sie müssen an ihren Unis nicht nur Softwarekurse anbieten, sondern auch German 101 und German Culture and History. Dann die Leute hierher an die Unis oder auf Praktika schicken. Dann wird es bald nur noch der Zeitunterschied sein, auf den es ankommt. Das stimmt nicht ganz. Dieser Vorschlag könnte jedoch ganz entscheidend dafür sein, die Akzeptanz des Outsourcing zu erhöhen.

Man merkt also, daß sich was tun muss. Die produzierende Industrie hat es längst gemerkt. In diesem Land gibt es ein deutliches intellektuelles Gefälle zwischen denjenigen, deren Berufe durch die Globalisierung betroffen sind und denen, bei denen es nicht so ist. Wer ist das? Allen, die im Dienste des Staates stehen. Alle, die Dienstleistungen und Produkte anbieten, die keine Konkurrenz durch Importe befürchten müssen. Also zum Beispiel Lebensmittel oder Agrarproduzenten die sich hinter den EU Importzöllen verschanzt haben. Ärzte. Anwälte. Notare. Arzneimittel (Zulassung!). Bücher (Buchpreisbindung!). Makler. Handwerker. usw.

Andrerseits hat mein Umfeld dadurch einen soliden Vorsprung. Zu dem Zeitpunkt, an dem sich Handwerker und Ärzte mit der rumänischen Billigkonkurrenz herumschlagen müssen sind die übriggebliebenen Softwarehäuser längst international konkurrenzfähig. Hoffen wir es :) Es wäre schon wünschenswert, wenn man wieder rationale Argumente dafür finden könnte, in Deutschland zu produzieren. Und damit meine ich nicht kurze Transportwege (Milchprodukte) oder Milliardengeschenke der Politik (AMD in Dresden).

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