Maarten 't Hart "Die Sonnenuhr"
Netter niederländischer Krimi über einen unwahrscheinlichen Todesfall einer Laborantin. Die Erzählerin wird Erbe und schlüpft, begünstigt durch ähnliches Aussehen in die Rolle der Toten. Nach und nach kommt sie Merkwürdigkeiten auf die Spur, so daß schnell klar wird - dieser Tod war kein Unfall! Das Ganze ist hinreichend schräg durch allerlei skurrile Figuren, wenn es auch für meinen Geschmack etwas zu viele sind. Kann aber auch an der italienischen Sommerhitze liegen ;-) Insgesamt eine ruhige Geschichte, die sehr schön erzählt ist. Leider fehlt für meinen Geschmack ein "rundes" Ende.
Category Archives: Bücher
Piggy Sneed
John Irving: "Trying To Save Piggy Sneed".
Bei diesem Büchlein mußte ich nach einiger Zeit an eine Bonus-DVD denken. Hier finden wir in 8 Abteilungen kurze Geschichten, die es irgendwie so scheint es nicht mehr in die regulären Bücher geschafft haben. Manche sind nicht einmal richtige Geschichten, eher vielleicht als Fragmente zu bezeichnen. Eine ist richtig gut ("Interior Space"): hier war ich schwer enttäuscht daß es nicht weiterging, denn die Figuren sind sehr schön angelegt und der Nachbarschaftsstreit um den Walnußbaum kam gerade so richtig in Schwung. "The Pension Grillparzer" gefiel mir auch sehr gut, wenn auch möglicherweise selbst für Irving etwas zu überzogen (Bsp.: der dressierte Einrad-fahrende Bär, der nachts im Hotel herumkurvt und das Etagenklo besetzt). Den Rest muß man wirklich nicht gelesen haben. Also, wer schon die komplette Sammlung im Regal stehen hat, muß es natürlich dazustellen. Sonst würde ich mich lieber an die "richtigen" Romane halten.
Moon Palace
Paul Auster: "Moon Palace"
Dieses Buch, heimlich der Bücherwand unserer Gastgeber entliehen hat mich schwer beeindruckt. Das liegt allerdings weniger an der haarsträubenden Geschichte, die allein schon für eine vorgerückte Punktzahl gereicht hätte. Es ist eher Paul Austers Schreibe, die seine Figuren einfach immer schrecklich liebevoll darstellt. Für mich ist er der Meister der menschlichen Regung. Das muß nicht immer nett zugehen, keineswegs. Es überzeugt einfach. Wenig Striche braucht er um ein Bild zu erzeugen. Die Geschichte kann man eigentlich hier nicht umreißen, ohne sie preiszugeben. Geschildert der Lebenslauf verschiedener Menschen, deren Leben und Verwandschaftsgrad sich überraschend kreuzt. Ach Leute, einfach selber lesen. Großartig.
Lautlos
"Besser als vergleichbare amerikanische Thriller" steht auf dem Klappentext von Frank Schätzing's "Lautlos". Na wenn das mal keinen Mut macht. Den braucht man auch bei über 600 Seiten. Ein richtiger Whopper, den ich mit Sicherheit nicht geschafft hätte, wenn ich nicht eben die Urlaubszeit zur Hilfe gehabt hätte.
Ich meine, der Vergleich ist sicherlich nicht falsch, nur lese ich diese Bücher schon seit längerem nicht mehr. Warum? Na, es ist immer dasselbe: An den Haaren herbeigezogene Story, Effekthascherei, logische Bugs (mir persönlich besonders lästig), völlig surreale Liebesgeschichten und eine Ende, bei dem die Bösen immer haarklein erzählen, was sie eigentlich vorhatten. Na, in einem Krimi übernimmt das wenigstens noch der Kommissario. Was immer vorhersehbar blieb tritt schließlich auch ein. Für mich ist das in einer Geschichte einfach zu wenig. Aber vielleicht ist das auch das Merkmal der Gebrauchsliteratur. Oder die Eigenart (auch an mir, wenn auch selten feststellbar), Bücher mehrfach zu lesen.
So, ich möchte das nicht ausufern lassen, nur soweit, daß man diesen Schinken gewiß nicht gelesen haben muß. Fährt man allerdings in den Urlaub und hat den Koffer noch nicht voll, kann man sich das Ding zur Not auch noch mit reinschmeißen.
Verwirrung
Aus der Stadtbücherei entliehen und auf dem Nachttisch wiedergefunden: Vogelsteins Verwirrung, von Luis Fernando Verissimo.. Verwirrung setzt schon bei der Lektüre ein, da verspricht der Titel nicht zuviel. Soviel, daß sogar die Hausherrin das Weiterlesen einstellte, obwohl es sich um einen Krimi handelt! Ich habe es allerdings doch geschafft, nachdem ich den etwas zähen Anfang überwunden hatte. Die Geschichte selbst, naja, ein Mordfall (ich bin der Ansicht, daß das in einem Krimi keine Besonderheit mehr darstellt) in Buenos Aires. Drumherum aber eine nette erzählerische Idee: Der Fall wird durch den Erzähler nicht gelöst, sondern erst im Nachwort, in dem er sozusagen das Mikro an eine andere Figur übergibt. Was dennoch nicht darüber hinwegtäuscht, daß der Mörder eigentlich von Anfang an klar ist. Oben festgestellte Verwirrung also nicht bezüglich des Plots, sondern der Schreibe drumherum und der unkonventionellen Erzählweise. Mir gefiel es trotzdem ganz gut, es ist auch recht kurz.
Was ist eigentlich Sucht?
Das ist jetzt nicht eine Frage aus dem Psychologie-Seminar, sondern eine die ich mir während der Lektüre von Jörg Böckem's "Laß mich die Nacht überleben" oft stellte. Eine Lebensgeschichte voller Drogenkonsum, die einer Reise entlang eines Abgrunds gleicht. Immer wieder kann er sich im letzten Moment retten bzw. wird gerettet. Darin natürlich alles ganz krass, in einer Weise in der die meisten von uns ihr Leben natürlich nicht zubringen. Er beschreibt sehr gut, wie die Droge erst durch die Gewohnheit zur Sucht wird, wie sie in den Alltag eingebaut wird, wie man mit ihr seine persönlichen Bedürfnisse befriedigt oder nur einfach Probleme beseitigt. Zeitweise. Als ebenfalls typisch empfinde ich die Sichtweise: Ich tat, ich machte, ich war gut drauf, ich litt, der Egoismus platzt aus allen Nähten.
Die Schreibe ist leicht lesbar, vielleicht zeitweise etwas monoton. Dadurch daß alles (mehr oder weniger) reale Geschichten sind aber sehr eindrücklich.
Zurück zum Ausgang: Ist eigentlich alles, was wir regelmäßig tun, was uns zur Gewohnheit geworden ist, Sucht? Wenn wir ohne nicht mehr auskommen? Kann nicht sein, das beträfe nun auch das morgendliche Zähneputzen. Wenn man allerdings täglich tonnenweise Süßes verzehrt oder jede freie Minute mit Computerspielen verbringt sehen das sicherlich viele anders. Ein Bier am Tag ist in Ordnung, viele davon sind es meist nicht. Physische Entzugserscheinungen bei Kaffeemangel klingen auch nicht vielversprechend. Irgendwo verläuft hier eine feine Linie. Ich beobachte mich selbst, wo übertritt man diese Linie? Was ist eigentlich zuviel? Wenn man anderes vernachlässigt? Nein. Wenn es im Kopf viel Raum einnimmt? Möglich. Das süchtige Wollen oder Verlangen scheint unterbewußt gesteuert zu sein, wahrscheinlich ist es deshalb so schwer, verstandesmäßig dagegen anzugehen. Wie war das, man muß an sich arbeiten? Schon. Sich selbst im Blick behalten, ohne sich zu sehr ernst zu nehmen. Man merkt, ich habe das noch nicht richtig zu Ende gedacht :-)
“Man muß an sich arbeiten..”
Das ist mein Lieblingszitat aus dem eben fertig gelesenen Buch. Irene Dische, "Großmama packt aus".
Das tut sie wirklich. Geschrieben hat das Buch die vermeintliche Enkelin, erzählt aber aus der Sichtweise der Oma. Eine verzwickt-tragische Familiengeschichte einer deutsch-jüdischen Ehe, Auswanderung, Fußfassen in der neuen Welt und die Zerknirschtheit darüber, daß die Kinder und Enkel nicht das tun und zu dem werden was man gerne hätte. Erzählweise ist sehr trocken und stellenweise fürchterlich komisch. Schon allein dadurch, daß die Oma ihre eigene Beerdigung kommentiert und auch die Geschehnisse danach. Große Empfehlung.
Bryson in England
Bill Bryson, Notes from a small Island.
Wenn man in einer Bahnhofsbuchhandlung steht und weiß, daß man 6 Stunden in dem Zug sitzen wird, in den man in 2 Minuten einsteigen soll, ist Eile geboten. Und so greift man denn zu altbekanntem. In diesem Fall die "Unterwegs" Geschichten von Bryson, wobei es weniger Geschichten als Berichte von Plätzen sind, die er bereist hat. In diesem Werk berichtet er in kolumnenform von einer mehrwöchigen Reise durch das Vereinigte Königreich, die er vor einem Umzug nach USA unternimmt. Kreuz und quer fährt er mit der Bahn durchs Land und geht auch viel zu Fuß. Ich bin auch derselben Ansicht, daß das eine sehr effektive Methode ist, eine Gegend und speziell eine Stadt kennenzulernen. Begegnungen mit wunderlichen Personen, lokale Kuriositäten und unterhaltsame Diskussionen über bauliche Verschandelungen gibt es reichhaltig. Hier bekomme ich doch fast Lust, mal wieder eine Reise nach England zu machen, aber nur fast. Und was mich auch wundert, ob es nicht auch so ein Buch über Deutschland geben müßte, an interessanten und bizarren Orten sicherlich auch nicht ärmer. Obwohl es sehr unterhaltsam und witzig ist wiederholt sich so manches. Ein kleiner feiner roter Faden hätte evtl. auch nicht geschadet. Daher nicht ganz volle Punktzahl.
Der Zeitmörder
Frank Tallis: Der Zeitmörder
Eine äußerst unterhaltsame Geschichte eines Londoner Mathematikdoktoranden, der eine großartige Erfindung macht: Er baut eine Maschine, mit der er die Vergangenheit fotografieren kann. Aufgrund der äußerst begrenzten Platzverhältnisse muß er die Konstruktion im Schlafzimmer aufbauen. Sein erster Versuch liefert den Beweis, daß seine Freundin doch nicht so treu ist, wie er gedacht hatte.. Bis auf ein paar Bugs die nahelegen, daß der Übersetzer keine besondere technische Affinitäten hat ("er klickte die Maus an..") ist es sehr flott zu lesen.
Iraqi freedom?
John Keegan: "The Iraq War"
Hierbei handelt es sich um ein brilliant recherchiertes Buch, das den gesamten Hergang des derzeit ablaufenden Irakkriegs beleuchtet. Der erste Teil holt weit aus, erklärt die historischen und theologischen Grundlagen, angefangen von der antiken Frühgeschichte, über das Osmanische Reich zu der Kolonialverwaltung durch die Engländer. Ebenso enthalten eine detaillierte Schilderung der Amtszeit von Saddam Hussein.
So genau auf die militärischen Details eingegangen wird, so unerklärt bleibt die politische Zielsetzung. Die Opposition der Europäer zu dem Krieg wird als "Olympianism" abgetan. Das sei die Verblendung, alle Konflikte diplomatisch lösen zu wollen (und die damit verbundene Zahnlosigkeit). Im Falle Europas mag das stimmen, aber zwei wesentliche Argumente Europas gegen den Krieg wurden weggelassen:
- Der Beweis für die Existenz der sog. "weapons of mass destruction" (TM) wurde nie erbracht
- Ein Konzept für die politische Neuordnung nach der Invasion wurde nicht vermittelt (siehe derzeitiger Zustand)
Es bleibt daher ein etwas halbseidener, hurra-patriotischer Geschmack zurück. Man mag Keegan zwar gern zustimmen, daß die Invasion ein brilliant ausgeführtes militärisches Manöver war, bei dem die Invasoren sich redlich bemühten zivile Opfer zu vermeiden. Aber danach? Skepsis bleibt. Es wird auch keine Vision einer möglichen politische Neuordnung der Region vermittelt, außer eines aktualisierten Nachwortes (von 2005, das Buch ist aus 2003). Darin aber im wesentlichen nur interessant die Beschreibung der Partikularinteressen der anderen Grenzstaaten.